Freitag, 6. Dezember 2013

Art / Fashion in the 21st Century

 
 
Wer Weihnachten unbedingt ein Buch verschenken will, dem sei hier eines vorgestellt: Gerade ist im Prestel Verlag die deutsche Fassung des bei Thames & Hudson publizierten "Art / Fashion in the 21st Century" erschienen. Den beiden Herausgebern Mitchell Oakley Smith und Alison Kubler ist es tatsächlich gelungen, ein coffee table book zusammenzustellen, das sich ernsthaft und unterhaltsam zugleich dem Phänomen Fashion widmet. Denn wo bekommt man, während man eine Tasse Tee trinkt, heute noch anschaulich Benjamins Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit erklärt?
 

Im Mittelpunkt dieser intelligenten Auseinandersetzung mit dem Thema Mode, steht also die allseits bekannte Annahme, Mode sei im Gegensatz zur Kunst oberflächlich, es fehle ihr an Authentizität. Die Frage, mit der die Autoren von "Mode ist Kunst" darauf antworten, lautet: ob Mode heute nicht eigentlich viel ehrlicher ist als Kunst...? Dabei zeigen sie, wie vielschichtig Mode in die von den neuen Medien bestimmte soziale Welt eingebunden ist und wie reflektiert Mode sich darin präsentiert. Das zentrale Statement dazu formulierte der Maler Francis Bacon: Mode ist die einzige Möglichkeit, Kunst in lebenden Formen und im sozialen Miteinander umzusetzen. Daphne Guinness gibt zu bedenken, der Akt des sich Kleidens ist es, eine Rolle anzunehmen, so aber auch einen Aspekt des eigenen Charakters auszuloten. Wo ist da der Unterschied zum Malen eines Selbstporträts? Das beutet, die Art, wie sich Leute kleiden, ist eine Form künstlerischen Ausdrucks (Andy Warhol).
 
 
Aus Schutt und Staub etwas Schönes machen. Yves Saint Laurent hält der Konsumentin den Spiegel vor, wie Monet dem Betrachter sein ornamentales Seerosengemälde.

Viele Designer experimentieren während ihrer Arbeit mit der Reflektionsebene, die Form, Material und Technik innewohnt und die ein Kleidungsstück determinieren.

 


Hussein Chalayan, elektronisches LED-Kleid, Herbst- Winterkollektion 07/08


Alexander McQueen, Herbst-Winterkollektion 09/10

Um was geht es Mode heute, in einer Zeit, die extrem durch die Retrolooks geprägt wird und das Neue in der Varianz sucht?
Der Creative Direktor von Bally meint dazu, sein Geschäft sei wie ein Galeriebesuch: Man sehe vielleicht etwas, das man nicht erwartet hätte, was dazu beitragen würde, den Blick zu erweitern. Mit so einer Intention und Sichtweise rückt das kreative Moment in den Vordergrund, wie es auch bei der Produktion von Kunst heute der Fall ist. Ganz ohne den Vergleich mit der Kunst steht Mode mittlerweile gleichberechtigt neben dem einst als dem einzig Legitimen, dem zeitlosen Intellektuellen.
 
 
 

Oberflächlicher als eine Tasche von Louis Vuitton zu tragen, geht ja eigentlich gar nicht mehr. Wer hat sich nicht schon bei diesem Gedanken ertappt und zugleich dennoch die Sehnsucht verspürt, auch so eine zu besitzen? Die Tasche mit den vielen kleinen LV-Monogrammen ist nur scheinbar ein banales Konsumgut. Der Gruppenzugehörigkeit Ausdruck zu geben, kann das Phänomen nicht alleine erklären. Das Erscheinungsbild der Tasche ist Endprodukt einer künstlerischen Idee, für die große Labels wie Louis Vuitton regelmäßig mit Künstlern zusammenarbeiten. Hier zum Beispiel entwarf die japanische Künstlerin Yayoi Kusama ein Muster namens "Dots Infinity", das als Happening zunächst in Ausstellungsräumen und im öffentlichen Raum gezeigt wurde.
 

Rem Koolhaas und OMA/AMO: Pradas Epicenter in New York

Mode in einer Boutique, im Museum und zurück in den Verkaufsraum führt dazu, dass die Läden wie Galerien und museale Ausstellungsräume entwickelt werden. Die architektonische Präsentation gehört immer mehr zum Gesamtkonzept, der Akt des Einkaufs gleicht einem Besuch in einer Kunstgalerie ...
 
Wer schaut sich nicht das Schild unter dem Gemälde so an, wie wir das Etikett am Objekt inspizieren, das wir kaufen wollten? Wer kauft nicht gern ein kleines bezahlbares Stück Kunst aus dem Museumsshop oder schätzt das Gefühl künstlerischer „Authentizität“ bei einem teuren Kleidungsstück?
 
War es nicht Andy Warhol, der schon in den 1960ern der Überzeugung war, eines Tages werden alle Kaufhäuser zu Museen und alle Museen zu Kaufhäusern ...
Viele interessante Fragen für die, jede für sich, lohnt das Buch zu kaufen.



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